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Warum es wichtig ist, Focusing zu praktizieren

Dieser Text dient hauptsächlich dazu, mich selbst zu motivieren und zu erinnern, sollten Anteile von mir das Ruder übernehmen, die lieber die ToDo-Liste oder sich ablenken wollen, anstatt sich Zeit zu nehmen, für das, was in mir ist, da zu sein.

Doch zunächst: auch wenn ich im Titel ‚Focusing‘ schreibe meine ich jede Form des Zeit-mit-sich-selbst-Verbringens, bei dem Achtsamkeit mit liebevoller Güte (‚loving kindness‘) zusammenkommen. Das kann auch ein Runterschreiben von allem sein, was einen gerade bewegt, während man mit einer annehmenden Haltung dabei ist. Das kann eine Vipassana-Meditation sein, in der man sehr sanft mit dem, was man wahrnimmt umgeht. Das kann ein Gespräch mit einem lieben, einen annehmenden Menschen sein, in dem man immer wieder in sich hineinspürt oder etwas völlig anderes, das in diese Richtung geht.

Den Ausschlag zu diesem Artikel hat ein Andrew-Huberman-Podcast-Aussnichtt gegeben, den ich vor ein paar Tagen gesehen habe.

Ab ca. 5:10 beginnt die Stelle, auf die ich mich beziehe

Es geht dort um das Verändern von Gewohnheiten, aber auch das Überwinden von Ängsten und er sagt, dass die allgemeine Annahme ist, dass man dabei von innen nach Außen vorgeht (also die innere Haltung und Glaubenssätze zu ändern, womit sich die Gefühle ändern) und schließlich zu handeln, doch David Goggins für sich diesen Weg rückwärts geht und beim Verhalten beginnt, worauf sich dann die Gefühle verändern und Glaubenssätze in Folge. Womit innerlich bei mir wieder der alte Streit ‚Verhaltenstherapie‘ vs. ‚Personenzentrierte Therapie‘ ausgebrochen ist, denn ein Teil von mir findet den Gedanken, alles im Außen zu regeln und dass der Rest von selbst schon folgen wird, ungemein attraktiv.

Das Problem ist… dass ich den Eindruck habe, dass es nicht wirklich funktioniert. Also oberflächlich schon, keine Frage und bei manchen Verhaltensweisen, die rein gewohnheitsbedingt sind, reicht das möglicherweise auch aus. Doch wenn es anders ist, kann die Rolle rückwärts in meinen Augen dazu führen, dass wir etwas Wichtiges aus dem Blick verlieren.

Ich denke da an meine Angst vor anderen Menschen. Die trage ich schon mit mir herum seit ich denken kann. Aufgrund verschiedener Erfahrungen – an die ich mich teilweise erinnern kann und teilweise nicht – traue ich (oder Teile von mir) den meisten Menschen nicht wirklich. Und das wirkte sich dann so aus, dass ich Situationen nach Möglichkeit vermied (z.B. sah ich beim Gehen auf den Boden oder trug Sonnenbrillen, um Augenkontakt zu vermeiden). Eines Tages las ich dann Glück von Matthieu Ricard und beschloss in Vordergrund, Menschen fortan mit einer Haltung von Freundlichkeit entgegen zu treten. Statt also beim Gehen auf den Boden zu starren, hob ich den Blick und lächelte Menschen an. Und oft lächelten diese zurück, was mich natürlich motivierte, das häufiger zu tun.

Man könnte also sagen, dass das Verändern meines Verhaltens dazu geführt hatte, dass sich meine Erfahrungen veränderten und meine Gefühle und so weiter. Und gewiss hat es das… doch nur zu einem gewissen Grad.

Denn tief in mir traue ich Menschen noch immer nicht. Was damals geschah, war nicht, dass ich von meiner sozialen Phobie, die ja gute Gründe hat(te), geheilt worden wäre. Mein Beschützer hatte lediglich eine bessere Strategie gefunden, sich vor anderen Menschen sicher zu fühlen. Es leuchtete ihn ein, dass ich, wenn ich andere anlächelte, die Wahrscheinlichkeit erhöhte, gemocht zu werden und dass mir Menschen, die mich mochten, nichts tun würden.

Noch heute halte ich an dieser Strategie fest. Doch ich spüre innerlich, dass sich an meiner tiefen Angst vor Menschen nichts geändert hat. das Austauschen der Strategie war ein wenig wie bei einer Klientin, die mit dem Trinken aufgehört hat und in Folge eine Essstörung entwickelt hat. Ich bin aus dem zwanghaften Vermeiden herausgekommen und tiefer ins People-Pleasing geraten. Mit der Folge, dass man mir meine Angst nun weniger anmerkt, ich jedoch spüre, wie sehr es mich erschöpft und auslaugt, unter Menschen zu sein und wie schlecht ich mich fühle, wenn ich mal schlechte Laune habe.

Was bleibt

Was bleibt, ist meiner Ansicht nach nur der lange, mühsame Weg mir jeden Tag Zeit dafür zu nehmen, für mich da zu sein. Für mich und für alle meine verängstigten, müden, misstrauischen, wütenden… Anteile. Ihnen zu zeigen, dass ich für sie da bin. Dass ich präsent bin und die Führung übernehmen kann und sie nicht mehr krampfhaft an Strategien festhalten müssen, die verhindern sollen, dass das in mir verwundbar ist, Schmerzen erleiden muss, ohne dass jemand da ist, der es hält, damit es heilen kann.

Das muss natürlich keine Alternative zur Verhaltensänderung sein – manchmal ist die ja sogar notwendig, um zu überleben – doch ist es eben wichtig, selbst im Falle einer Verhaltensänderung im Auge zu behalten, dass die tiefere Ursache des ursprünglichen Verhaltens noch immer da ist und unsere Aufmerksamkeit benötigt.

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